Das Netz der Medusa
Installation 2019
ca. 20 x 30 x 24m (H/B/T)
ca. 300 schwarze Alt-Kleidungsstücke (davon ca. 150 Oberteile und 150 Hosen zusammengenäht)
5 zentrale Aufhängungen, dazu ca. 30 seitliche Verspannungen (600 m Tau)
vom 27.05.-22.06.2019
im Mercado Altona, Ottenser Hauptstraße 10, 22765 Hamburg
Eröffnung am 31.05. um 11 Uhr, Empore 2. Stock
Über 300 zusammengenähte Kleidungsstücke machen den lichten Raum zu einem wogenden Meer, in dem ein dunkel konturiertes Netz zu schweben scheint. Fast gespenstisch fügen sich die vorwiegend schwarzen Altkleider zu schemenhaften Figuren zusammen, die sich – untrennbar miteinander verbunden – gegenseitig vor ihrem Absturz in die Tiefe retten. Während in den umliegenden Geschäften der Handel pulsiert, verkörpern diese Schatten die leeren Hüllen des abwesenden Lebens.
Ausgangspunkt der Arbeit ist das Gemälde „Das Floss der Medusa“ von Théodore Géricault. Erstmals 1819 im Pariser Salon gezeigt, erregte es vor allem aufgrund seines politischen Hintergrundes großes Aufsehen. 150 Menschen trieben damals auf einem notdürftig zusammengezimmerten Floss dem sicheren Tod entgegen, während sich zuvor die Befehlshaber und besser gestellten Schiffbrüchigen in die wenigen Beiboote gerettet und die Seile zu den fassungslos Zurückbleibenden gekappt hatten.
Das Bild der Verzweifelten, im falschen Glauben auf Hilfe wartend – es ist erschreckend aktuell. „Das Netz der Medusa“ will nicht nur diese 150 Menschen symbolisch aus den Tiefen des Meeres und des Vergessens hervorholen. Es steht für die unzähligen Schicksale in Geschichte und Gegenwart, die von Ausbeutung, Unterdrückung, Mord und Flucht gezeichnet werden. Unser Leben ist untrennbar mit der globalen Geschichte verbunden.
Wenn heute Menschen aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen fliehen, geht diese verzweifelte Tat oft auch auf jene, so gern vergessene Kolonialzeit zurück, in der
„Das Floss der Medusa“ als Sinnbild für Unmenschlichkeit und Ungerechtigkeit entstand.
Aber auch heute sind ausbeuterischer Handel mit Arbeitskraft und wirtschaftliche Abhängigkeiten häufig die Schatten des Reichtums. Wir alle sind Teil eines komplexen Netzes weltumspannender Besitz- und Machtverhältnisse, in dem jeder zugleich gehalten wird und gefangen ist. Ein Entkommen scheint unmöglich. Ist Rettung in Sicht?
Fotos: Ralf Meyer